Der Gesang des Elektrons im Faselraum


Ich bin das arme Elektron
Und tanze um den Kern.
Die Bahnen, die mir verboten sind,
Beträt ich gar zu gern.

Wenn mir mal ein andrer Weg gefällt
Als das ausgetretene Gleise,
So ist um jeden Preis der Welt
Verboten mir die Reise.

Ja will ich nur ein Stückchen weit
In andres Gelände dringen,
Sofort steht dort ein Schild bereit,
Und ich muß scheußlich springen.

Wenn ich das bloß von weitem seh',
Liegt's mir schon schwer im Magen.
Fußangeln, Selbstschüsse, verbotener Weg!
Gezeichnet: Niels Bohr, Kopenhagen.

Wie kommt denn dieser Herr Bohr dazu,
Mir den Lebensraum zu beschneiden.
Er raubt mir noch im Schlaf die Ruh',
Ich kann den Kerl nicht leiden.

Ich weiß nicht, wo ich bin,
Weiß nicht, wie schnell ich fliege.
Wie traurig, daß ich nie zugleich
Über beides Auskunft kriege.

Schuld hat daran Herr Heisenberg,
Man sollte ihn ermorden.
Doch kriegt der Unbestimmtheitszwerg
Stattdess' den Nobelorden.

Zeigt mein Tachometer
Zweikommasieben c,
So bin ich ganz verbiestert
Und weiß nicht, wo ich steh'.

Und weiß ich meinen Aufenthalt,
Z.B. diese Stelle,
So ist das Wissen mir versagt
Über meine Schnelle.

Das ist die verruchte Heisenberg-Lex,
Sie verwirrt mir meine Sinne.
Ich hab' 'nen Minderwertigkeitskomplex
Und glaub schon selbst, ich spinne.

Wie kommt Herr Heisenberg dazu,
Mich derart zu verdrehn?
Es läßt mir keine Ruh'
Ich werd' noch Schizophren.

Ich bin das ganze Leben leid,
Der Kram ist mir zu dumm.
Jetzt such' ich mir ein Positron
Und bring mich damit um.


Verfasser unbekannt

Gefunden in den Aufzeichnungen von Frau Grüneisen
Veröffentlicht von der Fachschaft Physik der Philipps-Universität Marburg in der "Renthof Postille"

Zurück zu den Sprüchen